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„Das Fenster“ Frank Wagner gewidmet von Piotr Nathan

Die Arbeit „Das Fenster“ von Piotr Nathan bildet den Abschluss der von Nina Venus kuratierten Ausstellungsreihe „den Ort verlassen“, die vom 17.06. – 19.09. 2016 insgesamt  fünf Positionen zu transformativen Prozessen vorstellt.
Das raumgreifende Gemälde „Das Fenster” ist dem kürzlich verstorbenen Berliner Kurator und engen Freund Piotr Nathans, Frank Wagner gewidmet.

Die Arbeit, die in den letzten vier Jahren entstanden ist, basiert zugleich auf einer malerischen und zeichnerischen Vorlage, die jeweils unabhängig voneinander entstanden sind, kleinformatig und intim. Die Entstehung der zeichnerischen Vorlage ist mit dem Prozess des Automatischen Schreibens, der „Ecriture Automatique“ zu vergleichen, einer Methode des unbewussten und unzensierten Aufzeichnens von Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen und Reflexionen – weitgehend ohne Absichtlichkeit und Sinnkontrolle. Die Fantasiefarbformen der malerischen Vorlage entstanden ebenfalls in einem freien Bilderfluss und losgelösten Bewusstseinsstrom.

Beide Vorlagen sind in der Konzeption als Wandarbeit in ein Vielfaches ihres ursprünglichen Formates übertragen und vergrößert worden und verbinden sich auf besondere Art zu einem Bild, das sich wie ein visueller Text lesen lässt. Wie im vielschichtigen Werk Piotr Nathans, in dem sich Zeichnung, Malerei, Skulptur und Installation wesenhaft bedingen und verbinden, so greifen in dieser Arbeit Linie und Fläche ineinander und verbinden sich zu mehr als der Summe ihrer Teile. Wie um genau darauf hinzuweisen, ist das ganze Gemälde in Fragmente unterteilt. Die einzelnen Tafeln sind Bruchstücke eines Ganzen und erscheinen zugleich einzeln betrachtet, teilweise wie bewusst detailliert ausgearbeitete und eigenständige kleinste Einheiten.

„Das Fenster“ ist ein fragmentarischer visueller Text, der sich wie zu einem Sinnbild für das Ringen eines Menschen zwischen dem Wunsch und Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit als Individuum und seiner Sehnsucht nach Liebe, zwischenmenschlicher Nähe und enger Bindung zusammensetzt – und zugleich auseinanderfällt.  Das Wandgemälde kann jederzeit den Ort verlassen, setzt sich inhaltlich und formell im Auge des Betrachters immer wieder neu zusammen, es befindet sich in permanenter Metamorphose, ist nicht im Sein angekommen sondern immer im Werden.

Nina Venus, August 2016