Window 133

PORTRAIT OF AN OPENING von Sabine Groß

Der Fußboden einer Galerie ist das sichere Fundament, auf welchem die Choreografie kultureller Operationen – wie zum Beispiel eine Vernissage – in anmutiger Selbstverständlichkeit ihren Aufführungsort hat. Eigentlich sind es aber nur einige wenige Zentimeter, die diese Ordnung von etwas Größerem und Unbeherrschbarem trennen. PORTRAIT OF AN OPENING ist eine Art Diorama, welches – ausgelöst durch einen potenziellen Erdrutsch – die kulturelle Oberwelt und die urgeschichtliche Unterwelt in einem illusionären Bild zeigt.

Sabine Groß interessiert sich in ihrer künstlerischen Arbeit für die Verhältnisse und Rahmenbedingungen, in denen Kunst entsteht und verhandelt wird. Die Frage nach Wert und Nachhaltigkeit des Kunstwerks an sich ist für sie zentral. Sie nutzt Zitate und Bezüge aus Kunstbetrieb und Kunstgeschichte und bearbeitet sie mit Stilmitteln aus Archäologie, Natur- und Erdgeschichte so, dass sie den  vom Kunstmarkt initiierten, unnötig überhöhtem Kunstbegriff  relativiert.

engl. 

The floor of a gallery is the secure foundation on which the choreography of cultural operations – such as a vernissage, for example – is gracefully and naturally performed. But actually it is only a few centimetres that separate this order from something larger and uncontrollable. PORTRAIT OF AN OPENING is a kind of diorama, which – triggered by a potential landslide – shows the cultural Upper- world and the prehistoric Underworld in an illusionary picture.

In her artistic work, Sabine Groß is interested in the conditions and framework in which art is created and negotiated. The question of value and sustainability of the artwork itself is central to her work. She uses quotations and references from the art business and art history and works on them with stylistic devices from archaeology, natural history and earth history in such a way that she relativizes the unnecessarily exaggerated concept of art initiated by the art market.

Window 132

„Making bad on history or drawing blood from the same old stone” von Dagmara Genda

Die Zeichnung der klassischen Skulptur bildet seit der Formalisierung der Akademien die Grundlage der Kunstausbildung. Dadurch entwickelte sich eine Rückkoppelungsschleife, die die skulpturale Tradition prägte und die Proportionen der Körper und ihr Gestenrepertoire im Laufe der Zeit subtil verzerrte. 

Daraus entstand schließlich der Barock mit seinen geschwollenen Draperien, den klaffenden Mündern und der Vielzahl der greifenden Hände. In ihren jüngsten Arbeiten nimmt Dagmara Genda barocke Gartenskulpturen als Grundlage für ihre Zeichnungen und rückt so die Geschichte durch eine weitere verzerrende Linse in den Mittelpunkt. Aus den fließenden Linien bluten griechische Götter zu Comic-Superhelden, ihre Idealkörper nicht weit entfernt von den heutigen Fitness-Selfies, und die Göttinnen aus der Zeit vor unserer gemeinsamen Epoche haben sich zu schmierig leuchtenden Instagram-Königinnen gemausert. Durch ihre Arbeit deutet Genda eine bestimmte Vorstellung von Geschichte an: je mehr wir sie neu darstellen, desto treuer folgen wir ihrem gewundenen Weg.

In Ihrer Installation im Berlin-weekly Fenster vergrößert und transformiert Dagmar Genda ihre Tusch-Zeichnungen in eine raumfüllende 3 dimensionale Raumzeichnung.

engl. 

Drawing from classical sculpture has formed the basis of art education ever since the formalisation of academies. This in turn generated a feedback loop whose echoes reshaped sculptural tradition, subtly contorting the proportions of bodies and their repertoire of gesture over time. Eventually this birthed the Baroque, with its swollen drapery, gaping mouths, and its multitude of grasping hands. Baroque garden sculpture forms the basis of Dagmara Genda’s recent drawings, thus refocusing history through another distorting lens. Inky lines bleed Greek gods into comic super heroes, their ideal bodies not far removed from today’s gym selfies, and the goddesses from before our common era have swelled into lubriciously lit Instagram queens. Perhaps the more we “make bad on history,” the truer we are to its meandering path.

In her installation at Berlin-weekly Dagmar Genda enlarges and transforms her ink drawings into a large 3-dimensional spatial drawing.