BLISTER, Installation von Carolin Seeliger und Lee Stevens, 2019
Zelte als architektonisch kleinstmöglicher privater Raum und Camping als Symbol für Freiheit und Unangepasstheit erscheinen gegenüber den mit Fotos von schlanken Bikini-Models und Slogans aus der Werbung bedruckten Zelten von Caroline Seelinger, anachronistisch. Mit dem Kapitalismus sei der menschliche Körper “vergesellschaftet” worden, sagt der Philosoph Michel Foucault, zunächst “in seiner Funktion als Produktiv- oder Arbeitskraft“ Heute verbindet man Schlankheit mit Schönheit, aber auch mit Disziplin, und Leistungsbereitschaft . Ausgerechnet im Zeitalter des Individualismus, arbeiten alle an ein und derselben Selbstoptimierung, am Erreichen und Einhalten eines weltweit gültigen Schönheitsideals.
In der Renaissance standen schmale Hände und Körperglieder für Feinheit und Noblesse, jedoch entsprachen weibliche Körperrundungen durchaus dem Schönheitsideal, denn ein zu dünner Körper verwies eher auf eine arme Herkunft. Die aus Salzteig gebackenen schmalen, zerbrechlichen Hände der Künstlerin Lee Stevens sind zum einen Sandro Botticellis Bild „Primavera“ entommen – ein verführerisches Getümmel im Orangenhain, überflutet von Blumen und feinen Stoffen an schönen meist göttlichen Körpern. Eine Allegorie gemalt für einen wohlhabenden Geldgeber. Zum anderen galt eine Fotoserie von Caroline Seeliger zur Vorlage, auf der man Hände sieht, mit den typischen Gesten eines Handy Benutzers. Salzteig ist ein bescheidenes, vergängliches Material, verortet im häuslichen Raum er wird geformt von arbeitenden und kümmernden Händen. Allein die haptische Tätigkeit des Herstellens an sich erfüllt bereits ihren Zweck. Und bietet dabei auch eine Abkehr vom Alltag, einen Ort der Ruhe an. Auch diese Handarbeiten sind ein Anachronismus zu den Gesten der Hände, die einzig auf das Bedienen eines Mobiltelefons verweisen.