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I ∞. Andreas Greiner und Armin Keplinger
www.andreasgreiner.com www.arminkeplinger.de

Aus der präzise berechneten, geometrischen Form einer virtuellen Skulptur auf dem Bildschirm eines Computers erfolgt über das von 3-D-Printern adaptierte Herstellungsverfahren die Übersetzung in eine „greifbare“ Materialität. Doch wächst die „Säule“ nicht, wie zu erwarten, zunehmend in die Höhe, sondern löst sich wieder auf, bleibt einer stetigen Verflüssigung unterworfen.

Mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegt sich während der Laufzeit der Ausstellung ein Druckerkopf an einem Metallarm langsam hin und her und fährt dabei die Konturen einer Rautenform kontinuierlich ab. In der Wand verankert, nimmt diese technische Versuchsanordnung den Projektraum für mehrere Wochen in Beschlag. Sukzessive wird Wachs auf den Boden aufgetragen, das dabei deutliche Spuren hinterlässt. Eine Schicht folgt auf die andere, doch bringt der erhitzte Untergrund den gerasterten Körper zum Schmelzen, ähnlich des unwiederbringlich verschwindenden Paraffin-Blocks bei Aspect Ratio (2013) – ebenfalls eine Kooperation der beiden Künstler. Die ursprüngliche Form ist zwar noch angedeutet, aber schon im Verschwinden begriffen und mutiert zu einer amorphen, organisch anmutenden, zähflüssigen Masse, an deren lavaartiger Oberfläche sich aufgrund der unterschiedlichen Festigkeitsstadien die werkinhärente Zeitlichkeitsstruktur ablesen lässt.

Der Grenzenlosigkeit und Kalkulierbarkeit des virtuellen Raums sind die physikalisch bedingten, teils in Entropie mündenden Gesetzmäßigkeiten unserer alltäglichen Lebenswelt und damit die Dekonstruktion des maschinell geschaffenen Objekts gegenübergestellt. Entstehen, Wachsen und Sterben gehören zusammen. (Ver-)schmelzen hier die mit dem Glauben an die Technik verbundenen Utopien? Menschliche Hybris einer Domestizierung jeglicher Materie? Anspielung auf das Scheitern beim Turmbau zu Babel?

Greiner und Keplinger schaffen das Setting für diese „unendliche Säule“ und übertragen anschließend die weitere Verantwortung Apparatur und Werkstoff. Nur vor dem inneren Auge lässt sich das eingespeiste Motiv dieser mental sculpture vervollständigen, in die Höhe weiterdenken. Ausstellungsexponat ist der Prozess selbst, kein voraussehbares Endergebnis. ” Ursula Ströbele